Schluss mit diesen 5 hartnäckigen Mythen beim Stimmtraining

[lwptoc]

1. Mythos: Nur tiefe Stimmen wirken seriös und selbstbewusst!

Ist das so?

Wie geht es dir, wenn du einer Person zuhörst, deren Stimme grummelt oder schnarrt und so ihre Verständlichkeit verliert?
Es könnte sein, dass sie versucht, tiefer zu reden, als ihre Stimme klingen kann.

Vielleicht hast du das auch schon einmal selbst versucht. Solltest du von Natur aus eine tiefklingende Stimme haben, kannst du sie einfach fließen lassen. Dann musst du mit dir und deinem Ausdruck nicht an deinem Kehlkopf herumschrauben. Du kannst die warmen Resonanzen in deinem Körper spüren und gelassen reden. Dadurch vermittelst du automatisch eine entspannte Seriosität. Dir wird gerne zugehört, denn der Klang hat keine Spuren von Aufregung oder Unsicherheit. Einer solchen Stimme zuzuhören kann die Zuhörer entspannen und hat gleichzeitig etwas Beruhigendes.

Aber wie viele Menschen haben eine von Natur aus tiefklingende Stimme?
20%? 30%?

Der Klang deiner Stimme ist zunächst einmal von der Struktur und dem Aufbau deines individuellen Kehlkopfes abhängig. Die vier Grundtypen der menschlichen Stimme heißen:

  • Bass = tiefe Männerstimme,
  • Tenor = hohe Männerstimme,
  • Alt = tiefe Frauenstimme,
  • Sopran = hohe Frauenstimme

Du kannst es anschaulich mit der Familie der Streichinstrumente vergleichen.

  • Bass entspricht dem Kontrabass.
  • Tenor entspricht dem Cello.
  • Alt entspricht der Bratsche.
  • Sopran entspricht der Geige.

Die Länge und die Dicke der Saiten entscheidet über die Höhe der Töne. Nun ist der rein optische Unterschied für die Größe des Kehlkopfes Gott sei Dank nicht so extrem wie bei den Streichinstrumenten. Du bekommst aber durch den Vergleich eine kleine Ahnung, was es für eine höhere Stimme bedeutet, tief und sonor klingen zu wollen.

Beim Streichinstrument werden die Saiten durch den Bogen in Schwingung versetzt. Bei deiner Stimme schwingen die zarten feinen Stimmband-Muskeln mit den am inneren Rand befindlichen Stimmbändern, die durch die Ausatemluft in Schwingung versetzt werden. Hier gilt wie bei den Saiten eines Streichinstrumentes: je größer, breiter und länger der Muskel ist, desto tiefer schwingt die Stimme. Das bedeutet, dass ein größerer Kehlkopf mit größeren Stimmbändern tiefere Töne erzeugt.

So betrachtet bekommst du ein Gefühl dafür, warum es nicht jedem vergönnt ist, mit einer sonoren, tiefen Stimme zu tönen.

Aber das ist auch gar nicht nötig.

Das Bemühen, die eigene Stimme in dieses Klangideal hineinzuführen, ist nutzlos, wenn deine körperlichen Vorbedingungen diesen Klang rein physikalisch nicht erzeugen können.

Für dich ist zunächst folgendes Kriterium wichtig:
Deine natürliche Stimmlage, die die Größe deines Kehlkopfs widerspiegelt.

Wie findest du deine natürliche Stimmlage?

Die Lage, oder genauer gesagt der Frequenzbereich deiner Stimme, wo du sie ohne Anstrengung und ohne innere und äußere Widerstände einsetzen kannst, ist deine „Wohlfühllage“. Sie zeigt dir, wo deine Stimme leicht und gerne klingt. Wo ihr natürliches zu Hause ist. Im Fachjargon heißt sie Indifferenzlage.

Warum spreche ich hier von einer Wohlfühllage?

Ich könnte sie auch als deine Genusslage bezeichnen. In den Worten „wohlfühlen“ und „genießen“ steckt bereits ein wichtiger Hinweis.

Stell dir vor, du ziehst genüsslich den Duft deiner Lieblingsblume durch deine Nase ein. Der betörende Duft fließt weich und wohlig an den Riechrezeptoren vorbei und sendet Signale einer wohligen Entspannung an dein Gehirn. Du beginnst zu lächeln und atmest diesen Duft durch deine Kehle mit einem weichen „mhhhhh….“ aus. Dieser spontane Ton gibt dir einen wichtigen Hinweis auf deine natürliche, leichtgängige Stimmlage. Der Ton entsteht ohne Denken, ohne Hinhören und ohne Anspannung.

Solche Töne erzeugen ein weiches Resonanzempfinden in den Knochen deiner Nase.

Dabei ist der erzeugte Ton so individuell wie dein Fingerabdruck!

Deine Stimmmuskeln samt Bändern, die Konstruktion deiner Luftröhre und deines Rachenraumes, durch welche die Schwingungen in deine Knochen als Resonanzkörper geleitet werden, all diese Teile sind auf deiner einzigartigen Struktur aufgebaut. Nach deinem genetischen Code!

Das ist der spontane Zugriff auf deine Stimme in ihrer gesunden Indifferenzlage.

Fazit:

In der Indifferenzlage oder „Wohlfühllage“ kann sich der Klang deiner Stimme entfalten und tönt klar, entspannt und unaufgeregt. Wenn du in dieser Lage kommunizierst, fällt es deinen Zuhörern leicht, dir zu folgen. Dabei ist es nicht wichtig, dass die Stimme dunkel und sonor klingt. Deine Stimmlage, die zu dir gehört, unterstützt dich als dein Klanginstrument.

Vertiefende Informationen im Blog-Beitrag: Der Klang deiner Stimme

 

 

2. Mythos: Einfach allein drauflosreden ist das Wichtigste

Du „springst einfach unbedacht ins kalte Wasser“ und redest drauf los. Wie fühlt sich das an?
Was geschieht, wenn du ins kalte Wasser springst und nicht schwimmen kannst?
Gewiss, es gibt im Leben Situationen, in denen wir einfach handeln müssen, ohne zu viel nachzudenken, weil es ums Überleben geht.
Wenn du jedoch gegen massive innere Widerstände ankämpfen musst, deren Ursachen in deiner persönlichen Entwicklung zu finden sind, kann dieses Verhalten dich so sehr stressen, dass sogar dein Stimmorgan dabei verletzt wird.
Gegen die eigene Persönlichkeit loszureden ist eine große Belastung für dein ganzes System. Damit betreibst du Selbstsabotage!

Wie äußert sich diese Selbstsabotage?

Zunächst kommt es bei jedem Menschen, der blind losläuft, schnell zu kleineren oder größeren Kollisionen. Du rempelst Gegenstände an, die im Weg stehen. Du kannst im Extremfall auf eine lebensgefährliche Strecke geraten, an deren Ende ein Abgrund oder eine viel befahrene Straße wartet.

In solchen Situationen warnt dich dein Unterbewusstsein, wenn du gegen deine eigene Persönlichkeit blind agierst. Die Stresshormone, die ausgeschüttet werden, bringen deinen Körper in höchste Alarmbereitschaft.

Stell dir folgende Situation vor:

Du springst „ins kalte Wasser“ und beginnst einen Online-Livestream, in dem du über deine Herzensthemen sprichst. Du siehst, wie sich Menschen live dazugesellen und beginnen, auf dich zu reagieren. Diese Informationen überfordern dich. Eventuell bekommst du als Reaktion von irgendeinem Clown ein weinendes Emoji gesendet.

Dein „Seelenmuskel“ Psoas*, welcher in enger Verbindung zu deinem Zwerchfell steht, gibt das Kommando „Weglaufen“!

  • Du wirst kurzatmig und spürst, dass dein Zwerchfell zu beben beginnt.
  • Dein ganzer Atemapparat destabilisiert sich.
  • Dieser unruhige Luftstrom lässt deine Stimmbänder nicht richtig arbeiten.
  • Sie schließen nicht und deine Stimme kling verhaucht.
  • Gleichzeitig fängst du an, hinzuhören, wie deine Stimme klingt.
  • Das stresst dich noch mehr und du kannst dich nicht mehr konzentrieren.

Du siehst, wie eng deine Stimme und deine Emotionen miteinander verknüpft sind. Dein Stimmapparat erfährt eine große Überforderung. Du wirst selbst zum erbarmungslosen Kritiker, der dich jetzt gerne zum Schweigen bringen will. Das Ergebnis frustriert und belastet dein Selbstvertrauen.

Wie kannst du damit aufräumen?

Oder: Wie bekommst du Stabilität und Klarheit in deinem Auftreten?

Hier geht es zunächst um eine Ursachenforschung, denn deine inneren tiefen Widerstände und ihre Ursachen stellen eine große Hürde dar. Wie kannst du dir ein Bild davon machen?

Der Weg zu den Ursachen deiner Selbstsabotage kann sich als steinig und schwierig erweisen. Sie liegen oftmals in unseren tiefen, unbewussten Schichten vergraben, zu denen wir keinen einfachen Zugang haben.

Dahinter können Erfahrungen und Erlebnisse aus deiner frühesten Kindheit stehen.

  • War dein erster Atemzug spontan oder wurde nachgeholfen?
  • Warst du in deiner Familie willkommen oder eher eine Belastung?
  • Wurde auf dein Schreien als Baby nicht immer reagiert? (“Das beruhigt sich schon von selbst.“)
  • Solltest du als Kleinkind immer schön leise bleiben und auch kein Lachen oder Jubeln von dir geben?
  • Wie war der Grundton in deiner Familie? (laut, leise, diskutierend)
  • Wie konntest du dich in der Schule stimmlich einbringen? (gehemmt, vorlaut, ausgebremst)

All diese dadurch erworbenen Muster können Ursachen für deine Selbstsabotage sein:

  • „Ich brauch meine Stimme nicht einzusetzen, denn ich werde eh nicht gehört.“
  • „Es stört die Erwachsenen, wenn ich mit meiner Stimme laut werde.“
  • „Beim lauten Reden, das in meiner Familie vorherrscht, gehe ich lieber in meine innere, stille Ecke und verschließe meine Ohren.“
  • „Ich ertrage es nicht, wenn alle Mitschüler auf mich starren, wenn ich dem Lehrer eine Antwort gebe, die eventuell falsch ist.“
  • „Der Lehrer hat mir ein Redeverbot erteilt, weil ich öfter in Ungeduld meine richtige Antwort in die Klasse schrie.“

So kannst du deine eingeprägten Blockaden, die dich nicht sprechen lassen, erspüren. Das sind alte Ver- und Gebote bezüglich deines Stimmeinsatzes, die in deinem gegenwärtigen Leben keine Bedeutung haben, jedoch unerkannt weiter gegen dich wüten.

Wenn du gegen diese innere Wand drauflosredest, reagieren deine Atmung, dein Stimmapparat und dein ganzes Nervensystem mit einer Gefahrenmeldung. Die erlernten Ge- und Verbote existieren mit ihrer starken Gegenwart weiter in deinem Inneren. Wenn du jedoch erkannt hast, dass die Gefühle und Erlebnisse mit deiner jetzigen Lebenssituation nichts mehr zu tun haben, kannst du dich klar davon distanzieren. Du agierst stimmlich in Eigenverantwortung.

Fazit:

Sich selbst austricksen oder überlisten in dem du einfach drauf los legst, ist meist nicht von Erfolg gekrönt. Zu mächtig sind die unbewussten oft hartnäckigen Prägungen, die dich ganz einfach Schach mattsetzen können. Wenn du wenigstens deine Wohlfühllage kennst, in der dir deine Stimme leicht und unangestrengt dient, bist du bereits im Vorteil. Da kannst du deine Herzensthemen über deine Stimme in die Welt senden.

Sollten dich jedoch alte Redeverbote immer wieder behindern, ist es wichtig dich diesen Ursachen bewusst zu stellen. Innerlich aufgeräumt und befreit von Vorurteilen gegen dich selbst, kannst du viel direkter wirken und wirst klarer verstanden.

Vertiefende Informationen im Blog-Artikel: Der Klang deiner Stimme

 

3. Mythos: Du kannst nur über deinen Atem deine Stimme lenken

Dein Atem ist der Treibstoff deiner Stimme! Ohne Ausatemluft, keine Tonerzeugung.

Ja, deine Stimme kann nur durch die Luft, die beim Ausatmen an deiner Glottis* vorbeifließt, einen Ton erzeugen!

Dieser Ton kann in seiner Qualität sehr unterschiedlich klingen. Der Luftstrom sollte möglichst gleichmäßig an den Stimmbändern ankommen, damit diese frei schwingen können. Kommt die Luft stoßförmig an, weil das Zwerchfell unruhig ist und Luftwellen entstehen, ist das freie Schwingen der Stimmbänder nicht möglich. Es fließt Luft, die nicht in Klang umgewandelt werden kann. Das Ergebnis ist ein verhauchter Ton. Es kann aber auch dazu führen, dass sie von einem Überdruck so auseinander gedrückt werden, dass sich die Stimme „überschlägt“. Es entstehen unkontrollierbare, seltsame Töne, die nach einem Jugendlichen in der Pubertät klingen.

  • Dein Atmen bestimmt den Einsatz deiner Stimme.
  • Dein erster Atemzug gibt bereits einen ersten Eindruck über deine Lebensfähigkeit.
  • Dein erstes Ausatmen mit Ton zeigt, wie lebenswillig du bist.
  • Wenn er nicht spontan einsetzt, wird er oftmals über den Moro-Reflex
  • Der Erfolg dieses ersten Stimmeinsatzes bildet bereits deine grundlegende Erfahrung.

Hier arbeitet vor allem dein Zwerchfell, welches den oberen Brustraum vom unteren Bauchraum trennt. Es ist eine elastische Membran aus einem Gewebe, welches nicht deinem bewussten Willen unterliegt. Es verbindet sich mit dem unteren Rippenbogen und ist mit seinen Faszien an der Wirbelsäule (vom fünften bis zum zweiten Lendenwirbel) befestigt.

Auch dein innerster Muskel im Bauchraum, der Psoas*, erfährt parallel zum Zwerchfell, um diese Wirbel seine Verankerung. Die Faszien beider Organe sind also eng miteinander verbunden. Dank des Psoas kannst du aufrecht gehen. Er ist der innerste Muskel deines Körpers. Da er auch für die Fortbewegung besonders in Stresssituationen (Fluchtinstinkt) verantwortlich ist, wirken die Stresshormone als Signalgeber gleichzeitig auf die Faszien des Zwerchfells und des Psoas an der gemeinsamen Verankerungsstelle der beiden Muskeln. Du beginnst heftiger zu atmen. Es fällt dir schwer, deinen Atem ruhig zu kontrollieren.

Als ein weiterer Faktor hat die grundliegende Art, wie du atmest, einen großen Einfluss. Worauf ich hier ziele, ist dein Atemtypus.

Was bedeutet der Begriff Atemtypus?

Es handelt sich um ein Phänomen, das Erich Wilk in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts erkannte und darüber Forschungen betrieb. Seine Schülerin Charlotte Hagena, eine Kinderärztin, hat diese Arbeit fortgeführt. Heute lehrt ihr Sohn Christian Hagena, ein ehemaliger Notfallarzt, über die Atemtyplehre.

Es wird von 2 Atemtypen gesprochen, die sich polar gegenüberstehen. Dabei unterscheidet man zwischen Einatmer („lunar“) und Ausatmer („solar“). Ob du ein Ein-, oder Ausatmer bist, hängt von deinem Geburtsdatum ab. Die Worte „lunar und solar“ geben bereits einen wichtigen Hinweis. Es geht um den Einfluss von Mond und Sonne an deinem Geburtstag und darum, welche der beiden Kräfte an diesem Tag vorherrschte. Dieses Kräfteverhältnis verändert sich in einem 28-tägigen Zyklus.

In meiner praktischen Arbeit stelle ich immer wieder fest, dass die Stimme viel klarer und ausgedehnter geführt werden kann, wenn der Atemtypus berücksichtigt wird.

Was bedeuten nun die Begriffe Ein- und Ausatmer?

  • Beim Einatmer ist die Einatmung aktiv die Ausatmung passiv
  • Beim Ausatmer ist die Einatmung passiv die Ausatmung aktiv
  • Energie zieht der jeweilige Typ im jeweils aktiven Vorgang:
  • der passive Vorgang bedeutet „loslassen“ (Einatmer) bzw. „reinfallen lassen“ (Ausatmer).

Wenn du keinen richtigen Zugriff zu deinem persönlichen Atem hast, kann über eine falsche Atemführung genau das Gegenteil von Stimm- und Atemfluss erzeugt werden. Du wirst kurzatmig und gerätst in einen inneren Fluchtmodus, der deine Stimme zittern lässt.

Wenn dein Atemapparat nach deinem angeborenen Typus arbeitet, bist du in der Lage, dich aus Stresssituationen „herauszuatmen“. Du spürst in der jeweiligen Atemphase, wie du Energie schöpfst. Zunächst ist für Ausatmer die Vorstellung, beim Ausatmen Energie zu schöpfen, ungewöhnlich. Genau so ungewöhnlich ist für Einatmer die Vorstellung, bei einer passiven Ausatmung die Stimme erklingen zu lassen. Gerade da liegen wichtige Ansatzpunkte in der typgerechten Atemarbeit.

Der Einatmer empfindet seinen Atem horizontal und der Ausatmer vertikal. Dies bezieht sich auch auf die Verteilung der Klangkraft der Stimme.

Fazit:

Wenn die optimale Luftmenge an deinen stimmerzeugenden kleinen Muskeln ankommt, kann diese Atemluft deine Stimme als ihr Treibstoff in ihrem idealen Klang unterstützen. Deine Stimme fließt leicht und ohne Widerstand aus deinem Kehlkopf. Sie wird durch deine Stimmmuskeln in Schwingung versetzt und fließt in die Resonanzräume deiner Knochen. Dort erfährt sie ihre natürliche Verstärkung und landet klar verständlich am Ohr deiner Zuhörer.

Willst du dich mit diesem Thema tiefer befassen, kannst du dies mit folgendem Buch tun:
Die Grundlagen der Terlusollogie von Christian Hagena ISBN 9783132431942

 

 

4. Mythos: Du kannst am Klang deiner Stimme nichts ändern

Warum sollte das zutreffen?

Fakt ist: Dein Stimmklang ist nicht nur das Ergebnis deiner genetischen Vorbedingungen, sondern auch deiner Lebenserfahrungen. Vor allem die ersten Lebensjahre beeinflussen den Klang deiner Stimme! Stell dir vor, du hörst deine Stimme auf einer Aufnahme und bist peinlich berührt! Sie klingt genau wie die Stimme einer dir sehr nahestehenden Person, die du als Familienmitglied respektierst. Jedoch hat sie dir – ob gewollt oder ungewollt – in deinem Leben oft durch ihre Ansagen oder Regeln einen „Maulkorb“ aufgesetzt. Du hast unter dem Verbot, deine Stimme einzusetzen, gelitten und bist tief verunsichert.

Solltest du einmal solch einen Schock erlitten haben, kann es sein, dass du dich allgemein nur sehr ungern zu Wort meldest.

Der Klang deiner Stimme ist so ganz anders als das, was du in dir beim Sprechen wahrnimmst! Hinzu kommt, dass dein Reden fast identisch mit dem Reden dieser Person – meist Vater oder Mutter – ist. Die Melodie, der Sprechrhythmus, die Dialektfärbung: alles klingt nach dieser Person, vor deren Einstellung du innerlich wegläufst.

Es klingt gerade wie der Elternteil, von dem du dich gerne absetzen wolltest, an dessen Art im Umgang mit dir so viele unangenehme Gefühle und schmerzhaften Erinnerungen geknüpft sind. Du hast so sehr darum gekämpft, wahrgenommen zu werden und es nicht geschafft. Du hast dir schließlich vorgenommen, nie so zu werden. Jetzt klingt deine Stimme von außen wahrgenommen so sehr ähnlich, dass du dich nur noch innerlich zusammenziehst.

Wie konnte es dazu kommen?

Zunächst ist es für dich wichtig, dass dein Gehör der allererste Sinn ist, der sich entwickelt. Bereits im Mutterleib ab der 16. Woche beginnt dieses Sinnesorgan, die ersten Nervenleitungen zum winzigen sich gerade entwickelnden Gehirn zu legen. Als Fötus hörst du zunächst den Herzschlag deiner Mutter. Ab der 24. Woche erkennst du ihre Stimme. Ab der 32. Woche kannst du Stimmen und Geräusche von außen wahrnehmen. Da beginnen bereits deine ersten Prägungen mit den Stimmen deiner Umwelt.

Dein erster Stimmeinsatz ist normalerweise der Ton, der entsteht, wenn du nach deinem ersten Luftholen deine Lunge aufgeatmet hast und diese Luft anschließend beim Ausatmen deine kleine Stimme ertönen lässt. Deine Stimme ist dein erstes aktives Lebenszeichen, das zeigt, ob du lebensfähig bist.

All diese Faktoren beeinflussen bereits deine innere Einstellung dazu, welchen Klang du dir durch deine Stimme erlauben kannst:

  • Wie du von deiner Umwelt aufgenommen, geliebt oder als Belastung empfunden wurdest
  • Ob und wie auf deine Stimme reagiert wurde
  • Ob du dich mit deiner sich entwickelnden Stimme äußern durftest
  • Ob du eventuell auch in fröhlichen Situationen keinen Laut von dir geben durftest

Folgende Kriterien gehören zu deinem Stimmklang:

  • Tonhöhe
  • Lautstärke
  • Volumen
  • Tragfähigkeit

Wem kannst du in dieser so persönlichen und intimen Frage vertrauen?

Wenn du in deinem Freundeskreis eine Person hast, der du vertraust und deren Meinung du schätzt, kannst du dir an dieser Stelle ein erstes Feedback einholen. Jedoch kann es sein, dass dieser Mensch wahrscheinlich deine Stimme nicht als ungewöhnlich und unmöglich empfindet. Er kennt dich seit Jahren genau mit dieser Stimme. Bei ihm hast du keine Probleme, dich zu äußern. Zum ersten Reinspüren in deine Befindlichkeit kann er dir hilfreich sein.

Zum tieferen Erfassen ist für dich jedoch eine Person günstiger, die dir nicht so nahesteht. Sie kann dir eine neutrale Rückmeldung zu deiner Stimme und ihrer Wirkung geben.

Wer kann dir helfen, wenn du vom Klang deiner Stimme so peinlich berührt bist?

Am besten wendest du dich an eine Person, von der du weißt, dass sie das nötige Wissen um diese Phänomene hat. Das können auch Gesangs-, oder Stimmtrainer sein, die sich mit stimmlichem Ausdruck auskennen. So jemanden hat natürlich nicht jeder in seinem Umfeld. Daher kannst du dich auch an Personen wenden, die Erfahrung mit Reden oder öffentlichen Auftritten haben und diese um Rückmeldung zu deiner Stimme bitten.

Welche Gründe halten dich davon ab, überhaupt einen Versuch zu starten?

Du denkst, dass deine stimmlichen Möglichkeiten zu gering sind, als dass du dir professionelle Unterstützung erlauben solltest.

Was kann da überhaupt verändert werden?

  • Wenn du leise sprichst, kannst du das Volumen und die Lautstärke vergrößern.
  • Wenn du zu hoch redest, kannst du deine Indifferenzlage oder Wohlfühlstimme finden.
  • Wenn du zu tief redest, kann dir ebenfalls deine Wohlfühlstimme eine Richtung zeigen.
  • Wenn du unter einer Sprechhemmung leidest, kannst du in einem geführten Coaching
  • sachte an die Ursachen herangeführt werden.
  • Wenn deine Stimme kindlich klingt, kann dich auch hier das geführte Coaching in die Ursachen begleiten und dich unterstützen, in deine Erwachsenenstimme hineinzufinden.

Fazit:

Wenn du es schaffst, dich von diesen so sehr eingrenzenden Vorurteilen dir selbst gegenüber zu befreien, beschenkst du dich mit einer neuen Lebensqualität. Du entwickelst Nachsicht mit dir selbst und kannst in Demut auf deinen Lebensweg blicken.

Erfahre, wie du mit den richtigen Werkzeugen den Klang deiner Stimme ausbauen kannst. Wie ein neues Selbstvertrauen entsteht, welches dir ein Fundament in deinen Äußerungen in der Öffentlichkeit bietet. Du wirst klarer verstanden und wahrgenommen.

In meinem Blog-Beitrag: Dein Stimmklang, findest du im zweiten Teil Hinweise auf deine individuellen Bedingungen.

 

 

5. Mythos: Menschen, die beruflich viel reden, werden immer verstanden

Stimmt das?

Du setzt als Lehrer oder Dozent täglich deine Stimme ein, um wichtige, oftmals komplizierte Inhalte an Schüler oder Studierende weiterzugeben. Auf dein Fachwissen kannst du dich verlassen. Diese Fachkenntnis ist dir eine klare Stütze und Rechtfertigung für deine Tätigkeit. Du weißt, dass dir andere so leicht nicht das Wasser reichen können. Es ist ein Gefühl von Sicherheit und Erhabenheit, welches dich bezüglich dieses Faches durch dein Leben trägt.

Ist dein Fach eine Naturwissenschaft wie zum Beispiel Physik, Chemie oder Elektrotechnik, sind die Inhalte oftmals abstrakt und wollen scheinbar allein vom Gehirn begriffen werden. Wenn du lehrst, ist es dir besonders wichtig, dass das Gehirn sowohl bei dir als auch bei deinen Zuhörern voll anwesend ist. Deshalb steht für dich die Selbstkontrolle durch dein äußeres Gehör im Vordergrund.

Diese Kontrolle birgt jedoch folgende Tücke: Der Klang deiner Stimme wandert vom Entstehungsort direkt durch deinen Rachen und durch das kleine Druckausgleichsloch im oberen Rachen ins Mittelohr. Der Klang, der vom Mund zum äußeren Ohr durch das Trommelfell über die Gehörknöchelchen ins Mittelohr wandert, benötigt 15 Millisekunden länger, um dort ebenfalls anzukommen.

Das klingt zunächst kurz, macht jedoch in der subjektiven Wahrnehmung eine riesige Zeitspanne aus. Deshalb bist du gezwungen, dich nur noch über deine Hirnwahrnehmung mit deiner Stimme auseinander zu setzen. Es entsteht ein Kreislauf: Stimmerzeugung – Gehör – Gehirn -Stimmerzeugung usw.

Wirst du wirklich verstanden und können dir deine Schüler oder Studenten gut folgen?

Was dabei auf der Strecke bleibt, sind deine Emotionen, die auch in der Stimme hörbar sind und für deine Zuhörer wichtige, lebendige Informationen weitergeben.

Du dozierst reines Faktenwissen, indem du dich in deinem Denken festhältst. So ist es für deine Zuhörer sehr schwer, dir zu folgen. Deine Stimme klingt monoton, denn das Denken wirkt als herrschendes Instrument, welches den stimmlichen Ausdruck verhindert. Die Schüler oder Studenten hören dem Inhalt als Fakten zu. Die Lerninhalte so verarbeiten können jedoch die wenigsten Menschen.

Das Zusammenspiel von Ausdruck und Stimmklang:

Auch trockener Stoff kann mit einem Tonfall der inneren Begeisterung für Zuhörer verdaulicher gestaltet werden. Diese Begeisterung überträgt sich unmittelbar. Der Inhalt wird sowohl über den Gesichtsausdruck als auch den Stimmklang parallel verarbeitet.

Der amerikanische Psychologe Paul Ekman fand in seinen Forschungen zur nonverbalen Kommunikation heraus, dass wir von sieben angeborenen Grundemotionen durch unser Leben geleitet werden. Wir kommen mit ihnen auf die Welt!

Diese Grundemotionen sind:

  • Überraschung
  • Ekel
  • Freude
  • Ärger
  • Trauer
  • Angst
  • Wut

Wenn du dir den entsprechenden Gesichtsausdruck vorstellst, kannst du intuitiv innerlich auch einen dazugehörigen Stimmklang wahrnehmen. Wenn du umgekehrt einen entsprechenden Stimmklang hörst, bekommst du unmittelbar innerlich den dazugehörigen Gesichtsausdruck übermittelt.

Diesen Umstand kannst du dir auch bei vermeintlich trockenen Themen zu Nutze machen. Auch theoretische Themen und Fakten werden leichter verstanden, wenn die vortragende Person Hingabe und Freude am Thema vermittelt. So fällt es den Zuhörenden viel leichter, am roten Faden zu bleiben und zu verstehen.

Ein monotoner Vortrag erschwert den Zuhörern, dem gedanklichen Faden zu folgen. Wenn der Faden einmal abgerissen ist, fällt es ihnen schwer, die losen Enden wieder zu verbinden.

Spätestens bei einer Evaluierung fragst du dich dann: „Warum sind die denn so undankbar? Ich habe ihnen all mein Wissen auf einem silbernen Tablett geboten, und das ist der Dank?“

Fazit:

Auch trockener Stoff kann mit einem Tonfall der inneren Begeisterung für Zuhörer verdaulicher gestaltet werden. Die Begeisterung überträgt sich unmittelbar. Der Inhalt wird sowohl über den Gesichtsausdruck als auch den Stimmklang parallel verarbeitet. Das Zusammenspiel von sehendem und hörendem Eindruck lässt sich viel leichter im Gedächtnis verankern.

Das Vermitteln reinen Wissens ist der eine Teil. Eine Begeisterung für ein Spezialthema zu erwecken und Schüler oder Studenten zu einem intrinsisch gelenkten Erfassen und somit zum Lernen zu bringen, ist eine ganz eigene Kunst.

Diese Kunst ist erlernbar.

 

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